Was passiert, wenn die Kleinen schlafen
- die Sicht des Operateurs bei der Cochlea Implantation -

Der Weg ist das Ziel

Guten Morgen!

So beginnt die Operation um 8.00 Uhr für mich. Generell sind Kinder nicht so geduldig wie Erwachsene und ohne Trinken will das auch nicht so recht Spaß machen. Also muss man halt früh anfangen…

Die Kollegen der Anästhesie haben bereits für süße Träume gesorgt und geben gerade die erste Dosis Antibiotikum als Schutz vor Infektionen, so dass ich mit den Vorbereitungen beginnen kann…also: zunächst einmal muss man dafür sorgen, dass das Köpfchen gut liegt. Es wird immer sorgfältig gepolstert, damit möglichst keine Druckstellen resultieren. Außerdem rasiere ich jetzt erst eine kleine Stelle hinter dem Ohr, wobei sich die Größe derselben ganz entscheidend nach dem ausgesuchten Implantat richtet. Nicht bei allen Firmentypen ist es möglich eine kleine Inzision durchzuführen, wobei der Schnitt verdeckt hinter der Ohrmuschel liegt.

Nach dem Rasieren wird zur Sicherheit noch das Monitoring des Gesichtsnerven angelegt. Damit werden kleinste Bewegungen der Gesichtsmuskulatur registriert, was einen zusätzlichen Überwachungsschutz bedeutet.

Wenn alles soweit gut vorbereitet ist, kann ich mir gründlich die Hände und Unterarme waschen und sterilisieren, während die OP-Schwester bereits den Kopf des kleinen Patienten mit Desinfektionsmittel abwäscht  und anschließend mit sterilen Tüchern abdeckt.

Ich schlüpfe nun noch schnell in meinen Kittel und dann kann die eigentliche Operation beginnen. Zunächst einmal wird der Knochen hinter dem Ohr, der Warzenfortsatz (auch „Mastoid“ genannt) freigelegt und der Schnitt je nach Implantattyp nach hinten oben erweitert. Mittlerweile kann man diesen Schnitt sehr klein halten. Allerdings ist immer zu bedenken, dass der Magnet so weit hinten sitzen soll, dass er nicht mit dem Prozessor kollidiert, deshalb messe ich den Abstand vorher mit Schablonen aus.

Dann werden anatomische Strukturen, wie das Gleichgewichtsorgan, Teile der Gehörknöchelchenkette und der knöchern gedeckte Gesichtsnerv unter mikroskopischer Sicht dargestellt und das Mittelohr aufgebohrt, sodass ich letztendlich auf die Hörschnecke blicken kann.

Bevor ich jedoch ein kleines Loch für die Elektrode hineinbohre, wird das Implantatbett noch ausgefräst.

Je nach Dicke des Knochens gelingt das natürlich unterschiedlich tief, aber meiner  Meinung nach ist es wichtig, um eine gute Verankerung des Implantates zu gewährleisten. Also wird der äußere Knochenanteil der Schädeldecke, die wie ein Sandwich aufgebaut ist, vorsichtig abgeflacht und zusätzlich eine Führungsrinne für den Elektrodenträger gefräst, sodass letztendlich das ganze stabil und ohne zu wackeln untergebracht werden kann.

Aber damit nicht genug: damit ein Verschieben unmöglich wird, bringe ich jetzt noch kleine Bohrlöcher beidseits des Implantatbettes an und ziehe einen Faden hindurch. Dieser Haltefaden verhindert zusammen mit dem Knochenbett die Dislokation des Implantates, was später einen Elektrodenbruch durch Materialermü-dung verhindern soll.

Nachdem ich alles so gesichert habe, kann ich mich nun wieder dem Innenohr zuwenden. Mit feinen Diamantbohrern bohre ich nun an der richtigen Stelle ein kleines Loch in die Cochlea bis mich nur noch ein kleines Knochenhäutchen von der Flüssigkeit in der Hörschnecke trennt. 

Das ist der Moment an dem das sterile Implantat aus seiner Umverpackung genommen wird. Vorsichtig setze ich es in das angepasste Bett und verknote den Faden darüber – das sitzt! 

Nun wird die Elektrode mit sehr feinen Instrumenten vor das Innenohr geschoben und mit einer kleinen Nadel das Häutchen der Hörschnecke auch noch weggenommen. Jetzt ist die Cochlea offen! Vorsichtig wird der Elektrodenträger eingeführt und falls ein kleiner seitlicher Restspalt bleibt, wird dieser mit Faszie verschlossen, damit das Innenohr wieder ganz abgedichtet ist.

Als nächstes wird getestet, ob das Implantat auch wirklich funktioniert. Dafür stehen uns Computer und spezielle Programme zur Verfügung. Zeigt sich hierbei kein Fehler, heißt es den Rückzug antreten. Die Operation ist fast fertig. Die Elektrode wird in den Warzenfortsatz hineingelegt, sodass Sie möglichst spannungsfrei gut einheilt. 

Der Schnitt über der Haut wird wieder sorgfältig verschlossen, um die Haare nach Möglichkeit an der Nahtstelle später auch wieder wachsen zu lassen. Weil ich weiß wie ungern die Kinder Fäden gezogen bekommen, sind diese selbstauflösend und kaum zu sehen.

Und zum Abschluss gibt es einen kleinen Turban von mir, damit es nicht zu einer Nachblutung kommt, falls der kleine Patient aus Versehen dagegen stößt…

Und während das Kind schlafend in den Aufwachraum gebracht wird, wo es als erstes seine Mutter sieht, verfasse ich noch den Bericht über das gerade Erlebte. Auf der Station sehen wir uns wieder!

Bis dahin – schlaf gut!

Kleine Lauscher

Hessische Elterninitiative zur lautsprachlichen Förderung hörgeschädigter Kinder e. V.

www.kleine-lauscher.de

info@kleine-lauscher.de

 

30.05.2005
LP 1/2005

 

Bericht
Dr. Silke Peters

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