„So eine Veranstaltung müsste zur Pflicht für einen
jeden Lehrer gemacht werden, der hörgeschädigte Kinder in seiner Klasse
hat!“
Diese Forderung wurde bei der gemeinsamen Tagung unseres Vereins
zusammen mit dem LKHD (Lautsprachlich Kommunizierende Hörgeschädigte
Deutschlands) laut.
Es stimmt: Die Tagung war ein voller Erfolg. Mit über 60 Teilnehmenden
war der große Saal in der Jugendherberge Wiesbaden bis auf den letzten
Platz gefüllt. Die LKHD-ler hatten keine Kosten und Mühen gescheut und
so auch technisch das Optimum herausgeholt. Schreibdolmetscherin,
Audio-Anlage, Induktionsschleife und visuelle Unterstützung der
Vorträge, alles war vorhanden, um die Vorträge optimal verfolgen zu
können.
Inhaltlich ging es um die Sensibilisierung von Regelschul-LehrerInnen
zur Hörgeschädigten-Problematik.
Als wichtigstes Lernziel dürfte gelten, dass es für kein Kind eine
allgemeingültige Regel gibt. Jedes einzelne Kind ist ganz allein für
sich zu sehen. Was bei dem einen gut ist, kann für das andere Kind zum
großen Nachteil gereichen.
Manfred Drach, Leiter der Frühförderstelle der Johannes-Vatter-Schule in
Friedberg, betonte, dass Eltern unbedingt sensibel auf ihr Kind sehen
müssten. Die Regelschule sei sicher ein wünschenswertes Ziel, schon
wegen der sozialen Integration vor Ort. Was aber, wenn das Kind auditiv
überfordert ist? Dann ist die Hörgeschädigten-Schule sicher keine
schlechte Alternative! Optimalste Voraussetzung für jedes hörgeschädigte
Kind wie kleine Klasse, FM-Anlage und optimale Ausstattung
(Teppichboden, Vorhänge, schallschluckende Wände) in allen Räumen - das
kann keine Regelschule bieten.
Die Frage, was denn höher einzuschätzen sei - soziale Integration oder
optimale Hör-Voraussetzungen für das Kind - ist nach Drach nicht zu
beantworten. Im Vordergrund habe das Wohl des Kindes zu stehen. Hier
seien die Eltern diejenigen, die ihr Kind am besten kennen.
So plädierte auch Reinhard Hartung - Vater eines hörgeschädigten Sohnes
und Schulleiter - in seinem kurzweiligen Erfahrungsbericht für eine
intensive Zusammenarbeit aller Beteiligten: Eltern, „die die Fachleute
für das Kind“ sind, Pädagogen und Mediziner, sie alle gehören an einen
Tisch.
Ann-Kathrin Rauch, selbst hörgeschädigt, besucht zurzeit die 7. Klasse
des Kasseler Engelsburg-Gymnasiums. Tief beeindruckt lauschten die
Zuhörer ihrer Schilderung über ihren Weg durch die Schule. Supergute
Phasen und solche, wo sie auf die Mithilfe ihrer Mitschülerinnen
angewiesen sei, wechselten sich ständig ab.
Hier wurde klar, was Manfred Drach meinte, als er sagte „Nur ein Kind,
das auch psychisch stabil ist und es aushält auch einmal daneben zu
stehen, kann die Regelschule schaffen.“
Aus ganz anderer Sicht wurde die Problematik von Petra Vaupel
geschildert. Selbst Lehrerin freut sie sich über Eltern, die nicht
gleich mit der Tür ins Haus fallen, sondern ihre Mithilfe und
Unterstützung auf allen Gebieten anbieten. „Ich habe heute
unwahrscheinlich viel gelernt. So eine Tagung müsste zur Pflicht für
einen jeden Lehrer mit einem hörgeschädigten Kind in der Klasse gemacht
werden.“ Zur Pflicht machen lässt sich dies nicht; aber richtig ist auf
jeden Fall, dass Eltern eine Schule suchen müssen, an der Schulleitung
und Lehrer freiwillig und gerne mit dem hörgeschädigten Kind umgehen.
Die berühmte „Brechstange“ ist hier sicherlich Fehl am Platze.
Zum Schluss der Tagung traute das hörende Auditorium kaum den Augen als
Markus Pietsch bei seinem Vortrag über die Vorteile einer FM-Anlage
seine eigene Hörkurve zeigte. Als hochgradig Schwerhöriger studiert er
zurzeit Medizin in München und Hannover und spricht, dass man ihm die
hochgradige Schwerhörigkeit kaum glauben mag. Die Kinder sollten so
schnell wie möglich an den Umgang mit der FM-Anlage gewöhnt werden. Die
„beste“ Anlage gebe es nicht. Auch hier sollte man unter den vielen
Modellen die aussuchen, die für das jeweilige Kind die beste ist.
Die beiden Vorsitzenden Florian Pietsch (LKHD) und Achim Keßler (Kleine
Lauscher) freuten sich am Ende über eine ausgesprochen gelungene
Zusammenkunft und dankten noch den drei Betreuerinnen, die den ganzen
Tag über für die Kinder da waren.
Man ging mit dem Wunsch auseinander, dass solch eine Tagung doch bitte
wiederholt werden sollte.
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Kleine Lauscher
Hessische Elterninitiative zur lautsprachlichen Förderung
hörgeschädigter Kinder e. V.
www.kleine-lauscher.de
info@kleine-lauscher.de
17.06.2003
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